Chronik

Waldkönigen – eine spannende Geschichte

Wie alt ist ein Ort

Die Urkunde von 1368

Wie lebte man vor 600 Jahren?

Waldkönigen, verpfändet und verkauft/a>

Die Herren im Land

Kann man zwei Herren dienen?

Die Karte von 1790

Ein Bischofsbesuch

Und wieder ändert sich vieles

Armut, Auswanderung und Tanz

Archäologen graben in Waldkönigen

Der Ursprung des Ortsnamens

 

Waldkönigen – eine spannende Geschichte

Ist es sinnvoll, sich mit der Geschichte eines Dorfes zu beschäftigen? Was bringt es den Bewohnern, wenn sie wissen, seit wann die Gemeinde, in der sie leben, existiert? Sollte man nicht besser in die Zukunft blicken, anstatt sich mit der Vergangenheit zu beschäftigen?

Nur wer seine Geschichte kennt, kann die Herausforderungen der Gegenwart und Zukunft meistern. Geschichte liefert Orientierung, gerade in einer immer komplizierter werdenden Zeit. Die Antworten auf die Fragen der Zukunft liegen in der Vergangenheit.

So unterschiedlich wird das Erforschen der Vergangenheit bewertet. Um beurteilen zu können, ob es etwas bringt, wenn man die Geschichte kennt, stelle ich auf den folgenden Seiten einige markante Punkte aus der Geschichte unseres Ortes vor. Der zeitliche Rahmen der Betrachtung erstreckt sich von den Anfängen Waldkönigens bis zum Ende des 19. Jahrhunderts.

Wie alt ist ein Ort?

Man soll die Feste feiern, wie sie fallen! Frei nach diesem Motto erfreuen sich Jubiläumsfeiern einer besonders großen Beliebtheit. Das gilt für Vereine und Firmen, aber auch für Städte und Gemeinden. Wer wissen möchte, wann die Waldkönigener Feuerwehr aus der Taufe gehoben wurde, braucht nur auf ihre Fahne zu sehen, die bei festlichen und traurigen Anlässen mitgeführt wird: Im Jahr 2003 blickte sie auf ihr 90-jähriges Bestehen zurück. Bei Firmen ist es meist ebenso leicht, das Gründungsjahr ausfindig zu machen; denn fast immer geht mit dem Entschluss, einen Betrieb zu eröffnen, ein Verwaltungsakt einher, der sich in den Akten wiederfindet. Wer aber nach dem Ursprung einer Gemeinde sucht, steht häufig vor einem recht großen Problem.

Wenn Historiker die Geschichte eines größeren Ortes erforschen, suchen sie zuerst nach schriftlichen Überlieferungen. Dabei gehen sie der Frage nach, ob dieser Kommune irgendwann das Stadtrecht verliehen wurde. Im Spätmittelalter – der Zeitspanne von 1250 bis 1500 nach Christi Geburt – erhielten recht viele Orte im Deutschen Reich vom Kaiser oder König dieses Privileg. In unserer damals nur sehr dünn besiedelten näheren Umgebung wurden jedoch nur wenige Gemeinden zur Stadt erhoben. Selbst wenn man auch noch die Ansätze eines Stadtrechts hinzunimmt, kommt keine große Zahl zusammen: Neben Daun waren es Stadtkyll, Hillesheim und Gerolstein, darüber hinaus noch Ulmen und Manderscheid. Das Jahr der Verleihung dieses Rechts eignet sich sehr gut als Anhaltspunkt für große Feiern. Es lässt aber – diese Einschränkung sollte man beachten – keine Rückschlüsse auf den Beginn der Besiedlung des jeweiligen Ortes zu.

Wenn keine Stadtrechtsverleihung existiert, gestaltet sich die Suche nach dem zentralen Punkt der Ortsgeschichte schwieriger. Dann muss nach anderen schriftlichen Überresten Ausschau gehalten werden. Den größten Erfolg versprechen dabei Urkunden. Diese Schriftstücke wurden bei vielen Anlässen angefertigt. In der Regel auch dann, wenn ein Besitzwechsel vollzogen wurde

Die Urkunde von 1368

Die erste Urkunde, in der Waldkönigen erwähnt wird, wurde am 20. April 1368 in Cochem an der Mosel geschrieben. Der Trierer Erzbischof Kuno II. von Falkenstein verfasste sie, der von 1362 bis 1388 dieseshohe Amt bekleidete. Den Anlass für die Ausstellung des Pergaments lieferte die finanzielle Notlage der bisherigen Besitzerin des Dorfes Waldkönigen: Elisabeth, Frau zu Winneburg (Winneburg-Beilstein an der Mosel, unweit von Cochem gelegen), war daher gezwungen, das Dorf an den Trierer Erzbischof zu verpfänden. Leicht fiel ihr diese Entscheidung sicher nicht; denn ihr kurze Zeit zuvor verstorbener Mann hatte ihr die Ortschaft am Hochzeitstag als sogenanntes Wittum gegeben. Es war in dieser Zeit bei einer Heirat unter Adeligen üblich, dass der Mann seiner Frau Rechte an einem Grundbesitz überließ, damit sie nach seinem Tod noch ihr Auskommen hatte. Dies war im 14. Jahrhundert dringend notwendig; denn ein soziales Netz, wie wir es in der Gegenwart kennen, gab es damals nicht. Die Lebensrisiken waren im Mittelalter groß: Nicht wenige Herren starben in den zahlreichen Kriegen. Aber auch für die übrige Bevölkerung, die damals nicht zu Kriegsdiensten herangezogen wurde, stellte der frühe Tod nicht die Ausnahme, sondern die Regel dar. Immer wieder suchten Epidemien das Land heim, wie zum Beispiel in den Jahren von 1348 bis 1351 und von 1361 bis 1363, als in weiten Teilen Europas die Pest wütete, der auf dem Gebiet des Deutschen Reiches rund 30 Prozent der Bevölkerung zum Opfer fiel.

Wie lebte man vor 600 Jahren?

Auch in anderen Bereichen war vor über 600 Jahren vieles anders als heute. Hierfür gibt uns die erwähnte Urkunde von 1368 zahlreiche Hinweise. Der Erzbischof von Trier unterstellte unser Dorf dem Schirm des Burggrafen von Cochem. Welche Gründe er dafür hatte, wissen wir nicht genau. Sicherlich spielte dabei der Ausbau des kurtrierischen Amtes Daun eine Rolle, mit dem er im Jahr 1357 begann. Die strategische Lage verbesserte sich für Trier deutlich, als Kaiser Karl IV. im Jahr 1363 Erzbischof Kuno II. mit der Burg Daun belehnte. Um diese Machtposition zu festigen, bemühte sich der Kurfürst von Trier intensiv darum, Besitzrechte im näheren Umfeld der Burg zu erhalten. Seine Nachfolger setzten diese Politik fort: 200 Jahre später, im Jahr 1563, gehörten zum Amt Daun 64 Orte.

Mit dem Besitzerwechsel, den die Urkunde von 1368 beschreibt, gingen für Waldkönigen einige Veränderungen einher. In dem Moment, in dem der Schreiber das Siegel des Trierer Erzbischofs auf das aus einer Kuhhaut gefertigte Pergament presste, gingen alle Felder, Wiesen, Teiche und Wälder Waldkönigens und ebenso alle Häuser, Ställe, das gesamte Vieh und die Einwohner an den Burggrafen von Cochem über. Der Graf wurde somit zum Grundherrn Waldkönigens, wodurch er zahlreiche Rechte erhielt. Jeweils am 24. August, dem Tag des heiligen Bartholomäus, lieferten die Waldkönigener ihm den sogenannten Zehnt (der zehnte Teil der Ernte) ab. Weitere Naturalabgaben kamen an anderen Terminen hinzu: Geflügel und Holz, Wolle und Wachs. Der neue Herr bestimmte ebenso die Abgabe, die beim Tod eines Bewohners an ihn zu entrichten war. Dieser Vorläufer der heutigen Erbschaftssteuer betraf im 14. Jahrhundert meist das „Besthaupt“, das beste Stück Vieh im Stall. Auch bei einer Heirat hielt der Herr die Hand auf. Kompliziert lag der Fall und teuer wurde es, wenn jemand seine große Liebe in einem Ort fand, der zu einer anderen Herrschaft gehörte. Dann brauchte das Brautpaar die Erlaubnis beider Herren, bevor es den Bund fürs Leben schließen konnte.

Der Burggraf von Cochem hielt in Waldkönigen auch mehrmals im Jahr Gericht. Er schlichtete Streitfälle unter Nachbarn, verhängte Geldstrafen, oder bei größeren Vergehen auch einschneidende Strafen: Dieben ließ er für ihre Missetat die Ohren abtrennen. Auch wer einen anderen im Streit verletzte, erhielt eine Körperstrafe: Der Scharfrichter schlug ihm die rechte – die waffenführende – Hand ab. Aus einer im Jahr 1658 gezeichneten Karte des Amtes Daun wissen wir recht genau, wo sich in Waldkönigen die Richtstätte befand: Bei einem alten, wahrscheinlich abgestorbenen, Baum zwischen den Fluren „Pentegarten“ und „Lebensband“.

Waldkönigen, verpfändet und verkauft

Kommen wir zurück zur Urkunde von 1368. Dort war geregelt, dass die Verpfändung an den Trierer Erzbischof nicht für alle Zeiten gelten sollte. Elisabeth ließ in der Urkunde ihr Recht festschreiben, Waldkönigen jederzeit aus dem Schirm des Erzbischofs auslösen zu können, was angesichts ihrer finanziellen Notlage wenig wahrscheinlich war. Darüber hinaus bestimmte die fürsorgliche Mutter, Waldkönigen solle nach ihrem Tod in den Besitz ihrer Söhne übergehen.

Die finanzielle Misere der Winneburger setzte sich in der Folgezeit fort. 1371 ging ihr Stammsitz an den Kurfürsten von der Pfalz über. Irgendwie gelang es ihnen aber im 15. Jahrhundert, wieder die Herren über Waldkönigen zu werden. Wir können dies aus einer Urkunde aus dem Jahr 1482 schließen. Dieses Schriftstück offenbart uns aber, dass die finanzielle Situation der Herren von der Mosel nach wie vor schwierig war; denn wieder diente unser Dorf als Pfand. Diesmal ging es von Kuno, Herrn von Winneburg, in den Besitz des Wilhelm von Brauneberg (an der Mosel, unweit Bernkastel gelegen) über.

40 Jahre später reichte eine Verpfändung Waldkönigens nicht mehr aus, um die finanzielle Misere der Winneburger zu lindern. Sie mussten das Dorf verkaufen. Für den Preis von 500 Gulden erwarb im Jahr 1522 Graf Johann von Manderscheid die Ortschaft von Kuno IV., Herrn zu Winneburg, und seiner Gemahlin Barbara. Wir werden später noch sehen, dass auch dieser Verkauf nur eine Episode in der wechselvollen Geschichte unseres Dorfes war.

Die Übereignung Waldkönigens wirft – gerade in unserer so sehr vom Geld bestimmten Zeit – eine Frage auf: 500 Gulden, war das viel oder wenig? Ein Gulden, die vor einem halben Jahrtausend gängige Münze, wog etwa 2,5 Gramm. Ihren Wert erhielt sie durch rund ein Gramm Gold, das die Legierung enthielt. In 500 Gulden steckte also etwas mehr als ein Pfund des gelben Edelmetalls. Zieht man den heutigen Goldpreis heran, dann wären das etwa 8000 Euro. Nicht gerade viel für ein ganzes Dorf, mag mancher denken. Zu diesem eher bescheidenen Ergebnis kommt man zwangsläufig, weil in dieser Rechnung ein Fehler steckt. Dabei bleibt nämlich unberücksichtigt, dass die Kaufkraft des Geldes und ebenso der Wert des Goldes im Lauf der Geschichte deutlichen Veränderungen unterlag. Gold war vor 500 Jahren weitaus knapper und damit wertvoller als heute. Wer beurteilen will, welchen Wert 500 Gulden im Jahr 1522 besaßen, muss daher berücksichtigen, was man sich damals dafür kaufen konnte: Wir wissen, dass im frühen 16. Jahrhundert der Preis für ein gutes Reitpferd zwischen 30 und 40 Gulden lag. Das war für einen einfachen Mann unerschwinglich; denn ein Handwerksgeselle verdiente damals etwa sieben Gulden – im Jahr.

Die Herren im Land

Im Mittelalter war vieles anders als in der Gegenwart. Um diese Zeit verstehen zu können, ist es erforderlich, sich nicht nur von den wirtschaftlichen, sondern auch von den politischen, sozialen und rechtlichen Verhältnissen der Gegenwart zu lösen. Die Geschichte Waldkönigens eignet sich sehr gut, um dies zu verdeutlichen.

Vor mehr als 600 Jahren gab es weder einen Kreis Daun noch ein Bundesland Rheinland-Pfalz. Es existierte damals ein Deutsches Reich, an dessen Spitze ein König bzw. Kaiser stand. Eine Stufe unter ihm standen die Landesherren. Die bedeutendsten waren die sieben Kurfürsten – drei geistliche und vier weltliche Herren –, die seit dem Jahr 1356, als die Königswahl in der „Goldenen Bulle“ geregelt wurde, das Oberhaupt des Heiligen Römischen Reiches deutscher Nation wählten. Darüber hinaus bestimmten die Geschicke des Reiches eine Vielzahl unabhängiger Territorialherren. Deren Besitzungen waren nur selten klar voneinander getrennt, so, wie wir es heute von den Bundesländern kennen. Die Karte des Deutschen Reiches war daher ein von ineinander übergreifenden Territorien gebildeter bunter Flickenteppich. Mit jeder Verpfändung oder Schenkung, einem Verkauf oder einer Erbteilung wurde das Bild unübersichtlicher.

Unsere nähere Heimat gilt unter Historikern als beispielhaft für eine Region mit einer besonders starken territorialen Zersplitterung. Viele Orte in unserer Gegend gehörten seit dem 13. Jahrhundert politisch entweder den Grafen von Luxemburg, den Grafen von Jülich, dem Erzbischof von Trier oder seinem Kölner Amtskollegen. Daneben existierten aber zahlreiche kleine Grafen- und Rittergeschlechter: Die Manderscheider, Gerolsteiner, Aremberger, Reifferscheider, Virneburger und viele andere kämpften um ihre Unabhängigkeit und verteidigten mit großer Zähigkeit ihren zum Teil weit verstreuten Besitz gegen ihre großen und mächtigen Nachbarn.

Im 14. Jahrhundert verstärkte der Trierer Erzbischof Balduin (1285 – 1354) die Bemühungen, sein Gebiet auf Kosten der kleinen Eifeler Herrschaften und seines Amtsbruders in Köln auszudehnen. Kriege, die man damals als „Fehde“ bezeichnete, waren die Folge dieser Politik. Als Ausgangspunkte für die Auseinandersetzungen nutzte Balduin Burganlagen, die wenige Jahre zuvor von König Johann errichtet worden waren. Die Überreste zweier dieser Bauwerke befinden sich in unserer Nähe. Die eine, Burg „Freudenstein“, stand bei Brockscheid, oberhalb der Lieser. Von ihr sehen wir heute nur noch kümmerliche Reste. Sehr viel mehr blieb von der anderen Festung erhalten, die den schönen Namen „Freudenkoppe“ erhielt. Um das Jahr 1340 wurde sie auf dem Nerother Kopf errichtet. Für die Untertanen brachte der Bau der Wehranlage keine Freude; denn sie mussten die damit verbundene Arbeit leisten und die hohen Kosten tragen. Wir haben bereits in der Beschreibung der Urkunde von 1368 gesehen, dass Kurtrier in den Folgejahren in unserer Gegend seine Bemühungen verstärkte, den Besitz zu erweitern.Im frühen 16. Jahrhundert nahm der Trierer Kurfürst Richard von Greiffenklau, der von 1511 bis 1531 regierte, die Grafen von Manderscheid ins Visier und versuchte, zu deren Lasten sein Gebiet zu vergrößern. Denen war es seit der Mitte des 15. Jahrhunderts gelungen, ihren Besitz durch mehrere Heiraten und Erbschaften deutlich zu erweitern. Nach dem Tod des Grafen Dietrich im Jahr 1498 teilten die Erben das gesamte Manderscheider Hab und Gut auf. Das war in dieser Zeit immer risikoreich; denn solche Teilungen zogen häufig ausgedehnte Rechtsstreitigkeiten nach sich.

So war es auch in diesem Fall. In den Jahren von 1512 bis 1516 tauchten Trierer Unterhändler in allen Orten auf, in denen die Besitzverhältnisse fraglich erschienen. Sie kamen auch nach Dockweiler und Kirchweiler und machten hier ihre Besitzansprüche geltend. Sie griffen dabei zu einem in dieser Zeit gängigen Verfahren. Sie argumentierten, wenn der Trierer Kurfürst hier der Hochgerichtsherr sei, dann stünde ihm damit auch der gesamte Besitz zu. Die Trierer Juristen fragten daher die Kirchweiler, wie bei ihnen die Rechtspraxis sei, ob ein Schwerverbrecher aus ihrem Dorf in Daun (was zu Kurtrier gehörte) oder auf der den Manderscheidern gehörenden Kasselburg abgeurteilt werde. Wir wissen nicht, was die Kirchweiler darauf antworteten. Und es gibt für die damalige Zeit auch keine Kriminalstatistik, der wir entnehmen könnten, ob ein solcher Fall bei unseren Nachbarn überhaupt vorgekommen war.

Wenn wir diesen Hintergrund berücksichtigen, erhält der Erwerb Waldkönigens durch Johann von Manderscheid, dem Oberhaupt der Linie Manderscheid-Gerolstein, eine neue Bedeutung. Mit dem Kauf unseres Dorfes bildete Graf Johann im Jahr 1522 einen Brückenkopf in dem von Trier beanspruchten Gebiet.

Zu diesen komplizierten politischen Entwicklungen kamen – wie wir zum Teil bereits sahen – wirtschaftliche Probleme hinzu. Am Beispiel Waldkönigens können wir sehen, dass ganze Ortschaften verpfändet oder verkauft werden konnten, und damit an einen neuen Herrn übergingen.

Die territoriale Zersplitterung des Deutschen Reiches führte gerade in unserem Raum zu ganz handfesten Problemen. Immer häufiger beklagten die Untertanen die unterschiedliche Steuer- und Abgabenlast in den einzelnen Herrschaften. Diese Probleme rührten auch von der Macht der Kirche, die das Mittelalter entscheidend prägte.

Kann man zwei Herren dienen?

Jeder kennt den Spruch: „Man kann nicht zwei Herren dienen!“ Diese Weisheit besaß im Mittelalter keine Gültigkeit. Ganz im Gegenteil. Damals dienten die meisten Untertanen zwei Herren: Dem weltlichen und zusätzlich noch dem geistlichen Oberhaupt. Beide forderten Abgaben und zum Teil umfangreiche Fronarbeiten, das waren unbezahlte Dienstleistungen. Unsere Nachbarn in Dockweiler gehörten im 12. Jahrhundert dem unweit der Mosel gelegenen Kloster Springiersbach. Auch in anderen Nachbarorten hatten die Klöster der Region – besonders Prüm und Himmerod – Besitz. Mitunter besaßen sie einen ganzen Ort, manchmal nur eine Wiese, ein Feld oder einen Teich. Waldkönigen gehörte für lange Zeit geistlich zum Erzbistum Köln, erst seit dem Beginn des 19. Jahrhunderts ständig zu Trier. Ob darüber hinaus im Lauf der Geschichte auch noch andere geistliche Instanzen Besitz in unserem Dorf hatten, ist nicht bekannt. Wenn man ein Dorfwappen schaffen wollte, in dem sich die wechselvolle weltliche und geistliche Geschichte des Ortes widerspiegelt, hätte man Probleme. Dann müsste man die fünf Ringe aus dem Winneburger Wappen, den Sparrenbalken der Manderscheider, die Muscheln der Metternichs, die Kreuze Kurtriers und Kurkölns abbilden. Keine Frage, ein Wappen mit Krone, Wald und Ähren ist einfacher, hat aber mit der politischen Geschichte unseres Ortes nichts zu tun.

Für die folgenden Jahrhunderte fehlen uns zwar detaillierte Aufzeichnungen über Waldkönigen, aber da wir die Geschichte der Umgebung kennen, wissen wir, dass diese Zeit durch viele Kriege bestimmt war. Spanier, Österreicher und Niederländer, Franzosen, Schweden und zahlreiche deutsche Truppen zogen besonders im 17. Jahrhundert plündernd und mordend durch die Eifel. Hinzu kamen auch in dieser Zeit – wie bereits Jahrhunderte zuvor – immer wieder Epidemien: Pest, Cholera und Typhus dezimierten die Bevölkerung und hemmten die wirtschaftliche Entwicklung.

Für uns erscheint die Geschichte unseres Heimatortes auf den ersten Blick unübersichtlich. Um so mehr kann es uns freuen, dass aus dem späten 18. Jahrhundert eine farbenreiche Quelle erhalten blieb, aus der wir viele Informationen über unseren Heimatort erhalten.

Die Karte von 1790

Im Oktober 1790 fertigte der „geometram juratum“ Johann Peter Dilbecker eine detaillierte Karte Waldkönigens. Er war einer der bedeutendsten Landvermesser in dieser Region, der schon Jahrzehnte zuvor im kurtrierischen Gebiet gearbeitet hatte. 1774 erstellte er eine detaillierte Zeichnung des Hospitals in Kues an der Mosel. Fünf Jahre später erfasste er den Besitz des Trierer Domkapitels bei Niederfell – unweit von Koblenz – kartographisch. 1788 zeichnete er eine Übersicht über die dem Grafen Metternich gehörenden Höfe bei Naunheim, in der Nähe von Mayen. Zwischen dieser Darstellung und der Karte von Waldkönigen gibt es eine Gemeinsamkeit: Auch unser Dorf gehörte damals dem Grafen Franz Georg von Metternich zu Winneburg, der von 1746 bis 1818 lebte.

Den eigentlichen Grund für die aufwendige Arbeit des Geometers finden wir oben links auf der Karte. Sie sollte als Grundlage dienen, um die Besitzansprüche zwischen Hinterweiler, Dockweiler und Waldkönigen „Auf dem Boos“ zu regeln.

Möglicherweise spielte darüber hinaus für das Zeichnen der Karte auch noch ein Vorgang eine Rolle, der im Jahr 1787 die Grafen von Aremberg erregt hatte, denen damals unser Nachbarort Dockweiler gehörte: Der arembergische Amtmann Bender, dem die Herrschaft Kasselburg unterstand, schrieb am 15. April 1787 an seinen Herrn. Er klagte, zwischen Dockweiler und Waldkönigen seien die hölzernen Zollstöcke gestohlen worden. Um zukünftige Diebstähle zu verhindern, ließen die Aremberger, gusseiserne Zollstöcke anfertigen, an denen sie Schilder aus Weißblech anbrachten, die sie mit ihrem Wappen versahen. Es könnte durchaus sein, dass bei der Aufstellung der neuen Blechschilder Unregelmäßigkeiten im Grenzverlauf der beiden Nachbargemeinden Dockweiler und Waldkönigen ans Licht kamen. Dem Streit um einige Weiden oder einen Grenzverlauf verdanken wir ein Dokument, das in vielerlei Hinsicht interessant ist. Diese Karte erzählt uns viel über das Leben in Waldkönigen vor mehr als 200 Jahren: Wir können der mit großer Sorgfalt gezeichneten Karte die alten Flurnamen entnehmen, die heute den meisten Bewohnern aber nicht mehr bekannt sind. Wir lesen in der Karte, wo im Jahr 1790 die Grenzsteine saßen. Dadurch erfahren wir, dass der Stein mit der Nummer „1“ im Süden lag, beim „kale born“. Das Gebiet Waldkönigens wurde durch insgesamt 61 Grenzsteine und Markierungen, zum Beispiel eine markante Eiche, beschrieben. Zum Teil hatte man die Steine erst kurze Zeit zuvor an die Stelle früherer Markierungen gesetzt. Wir schließen dies aus den Hinweisen beim Grenzstein 36 oder bei Nr. 26, dem Stein, der unterhalb des „Hähnges born“ sitzt, wo „früher eine Eiche gestanden hat.“

Mit Groß- und Kleinbuchstaben sind die Waldkönigener Felder, Wiesen, Viehweiden, Hecken und Wälder beschrieben. Wir erfahren, dass deren Größe in Morgen, Viertel und Ruten gemessen wurde. Mit etwas Geduld können wir daraus das Maßsystem selbst errechnen – 40 Ruten ergeben ein Viertel und vier Viertel einen Morgen. Wir erkennen, wie das Land genutzt wurde: Wir sehen unterschiedliche Gewannlängen und Gewannanordnungen und stellen fest, dass damals fast die Hälfte der Gemeindefläche mit Wald bedeckt war.

Manche Flurnamen, wie zum Beispiel „Auf der Heid“, lassen Rückschlüsse auf die mindere Qualität des Bodens zu. Wir sehen aber auch, wo damals die Felder mit der besten Bodenqualität lagen – daran hat sich übrigens bis zur Gegenwart kaum etwas geändert. Darüber hinaus können wir anhand einiger Flurbezeichnungen nachvollziehen, wie die landwirtschaftliche Nutzung voranschritt; denn die Namen, in denen die Begriffe „Röder“ und „Rodt“ enthalten sind, bezeichnen Rodungen, die zu einer Zeit angelegt wurden, als die Bevölkerungszahl Waldkönigens stieg.

Im Norden, Westen und Süden Waldkönigens finden sich mehrere Flurbezeichnungen, die auf „born“ enden: Hinweise auf Quellen. Auch sonst entdecken wir Angaben, die auf feuchte Böden hindeuten: „Rombels brug“, „Eich seiffen“ oder „Rengeler neß“. Aus der Schreibweise dieser und anderer Begriffe können wir darauf schließen, wie der Kartograph Dilbecker die Flurbezeichnungen erfasste. Er ging mit einem Waldkönigener durch die Felder und Wiesen, ließ sich von ihm den jeweiligen Namen nennen und trug ihn in die Karte ein. Natürlich sprach der Mann Dialekt, den der Kartenzeichner ins „Hochdeutsche“ übertrug. Das Lesen der Karte ist nicht ganz einfach, da sich die Schreibweise des Jahres 1790 deutlich von unserer Gegenwartssprache und den heute im Dialekt verwendeten Begriffen unterscheidet. Darüber hinaus muss man berücksichtigen, dass es damals noch keine verbindlichen Regeln für die Rechtschreibung gab, daher finden sich mitunter mehrere unterschiedliche Schreibweisen für den gleichen Begriff.

Wir erkennen in der Karte auch das Wegenetz, das sich zum Teil bis zur Gegenwart kaum verändert hat. Entlang des Pützbaches führte ein Weg nach Steinborn. Die „Wein straas“ entspricht der heutigen Kreisstraße 35, die nach Hinterweiler führt. Die Straße von Dockweiler nach Daun entspricht dem alten Verlauf der B 421 und die „Dauner straas“ ist bei Wanderern immer noch beliebt.

Bei näherer Betrachtung der Karte entdecken wir am nördlichen Dorfrand eine Kirche. Aus einer schriftlichen Überlieferung wissen wir, dass der Zeichner die „Luzienkapelle“ abbildete. Wann diese Kirche erbaut wurde, wissen wir nicht. Mit Sicherheit vor dem Jahr 1716; denn aus diesem Jahr blieb ein Schriftstück erhalten, in dem das Waldkönigener Kirchlein als baufällig bezeichnet wird. Drei Jahre später heißt es, das Dach des Gotteshauses sei „ruinös“. Die Einwohner reparierten es zwar, so dass im Jahr 1752 alle 14 Tage hier eine heilige Messe abgehalten wurde, aber es fehlte das Geld, um die Kirche von Grund auf zu renovieren. Als Dilbecker die Karte zeichnete, gingen unsere Vorfahren daher in den Gottesdienst nach Steinborn.

Mit Sicherheit rauschte im Jahr 1790 im Dorf eine, wahrscheinlich aber zwei Mühlen. Der Hausname „Müllich“ hat sich bis zur Gegenwart an gleicher Stelle erhalten und belegt, wie genau Dilbecker die Karte zeichnete. Um die Mühle das ganze Jahr über mit genügend Wasser versorgen zu können, legte man im Oberlauf des Pützbaches einen Mühlenteich an. Dort, wo sich heute ein Fischteich befindet. Insgesamt 21 Häuser zeichnete Dilbecker in die Karte ein, von denen 16 im Unterdorf und fünf im Oberdorf lagen. Wenn wir eine andere historische Quelle hinzuziehen, können wir sogar Aussagen über die Einwohnerzahl Waldkönigens in dieser Zeit treffen.

Ein Bischofsbesuch

15 Jahre nachdem die Karte entstand, führte der Trierer Bischof Karl Mannay eine Visitationsreise durch, um sich über den Zustand seiner Pfarreien zu informieren. In Waldkönigen und in Steinborn gab es Unruhe. Die Gläubigen beklagten sich, dass zwei Jahre zuvor die Pfarrkirche von Steinborn nach Neunkirchen verlegt worden war. Diese Änderung beruhte auf einer grundlegenden Neuregelung der Grenzen der Bistümer Köln und Trier in unserer Region. Während Waldkönigen zuvor zum Eifeldekanat des Erzbistums Köln gehörte, kam es danach an Kurtrier. Das Klagen der Steinborner und Waldkönigener half nichts. Der Bischof entschied, die Kirche in Steinborn sei in einem zu schlechten Zustand, um hier die heilige Messe zu lesen. Zudem sei es von Steinborn nach Neunkirchen ja nur ein Fußweg von zehn Minuten.

Anlässlich des Bischofsbesuchs nahm man auch eine Zählung der Haushalte und Einwohner vor. In Pützborn, Neunkirchen, Steinborn und Waldkönigen gab es zusammen 132 Feuerstellen mit 500 Kommunikanten. Daraus kann man die Einwohnerzahl Waldkönigens grob schätzen. Rechnet man noch die kleinen Kinder hinzu, ergibt sich eine Gesamtzahl von etwa 150. Dieses Ergebnis passt auch zu einer Steuerliste von 1719, als in Waldkönigen 119 Menschen wohnten. Im frühen 19. Jahrhundert – nach den Napoleonischen Kriegen – stieg die Zahl der Einwohner innerhalb weniger Jahre sprunghaft an. 1830 wohnten in unserem Dorf 57 Familien mit insgesamt 288 Frauen, Männern und Kindern.

Kommen wir zurück zu Dilbeckers Karte aus dem Jahr 1790. Sie liefert auch Informationen über unsere Nachbargemeinden. Hinterweiler, Steinborn, Daun und Rengen gehörten zu Kurtrier. Dockweiler war zu dieser Zeit – wie bereits erwähnt – im Besitz der Grafen von Aremberg, deren Stammsitz auf dem gleichnamigen Berg zehn Kilometer östlich von Blankenheim lag.

Und wieder ändert sich vieles

Die Karte von 1790 stellt lediglich eine Momentaufnahme dar. Bereits wenige Jahre später hatten sich sowohl die politischen als auch die kirchlichen Verhältnisse schon wieder gewandelt. Als Napoleons Armee 1795 das linksrheinische Territorium besetzte, wurde Waldkönigen ein Teil des „Departements de la Sarre“ – zu deutsch: des Verwaltungsbezirks Saar –, zu dessen Hauptort die Franzosen Trier bestimmten. Aus dieser Zeit finden sich im Waldkönigener Dialekt einige Wörter französischen Ursprungs. Und auch einige Familien aus unserem westlichen Nachbarland siedelten sich im 18. und frühen 19. Jahrhundert in Waldkönigen an. Dies belegen die Familien- und besonders die Hausnamen (zum Beispiel Hommes, Jaquemod, Jardin oder „Brukunnier“, die eingedeutschte Form des Wortes braconnier, zu deutsch: Wilderer).

1805 enteignete die französische Verwaltung den Besitz der Metternichs. Das Land, das Graf Franz Georg in Waldkönigen besessen hatte, wurde als Nationalgut versteigert. Aber auch diese Regelung hatte nur für kurze Zeit bestand. Nach der Niederlage Napoleons regelten die Sieger die Besitzverhältnisse auf dem Wiener Kongress von 1815. Danach gehörte Waldkönigen als Teil des Amtes Daun zu Preußen, seit 1822 zur „Preußischen Rheinprovinz“.

Armut, Auswanderung und Tanz

Die wirtschaftlichen Bedingungen blieben – wie auch in anderen Eifeldörfern – schwierig. 1843 wanderte Karl Scholzen mit seiner sechsköpfigen Familie nach Amerika aus. Ihm folgte im Jahr 1856 der damals 45-Jährige Michel Pürling mit seiner Ehefrau Maria Anne und den sechs Kindern. Die meisten unserer Vorfahren reisten Anfang der 80er Jahre des 19. Jahrhunderts über den Großen Teich: Mathias Blankenheim und seine Ehefrau Elisabeth waren 43 bzw. 44 Jahre alt, als sie mit ihren sieben Kindern die Heimat verließen. Das jüngste ihrer Kinder war bei der Abreise drei Monate alt. In erster Linie zog es aber Ledige nach Amerika. Der älteste Auswanderer aus Waldkönigen, Josef Gerhards, entschloss sich mit 63 Jahren zu dem großen Schritt. Die meisten, die in der Fremde ihr Glück suchten, waren sehr viel jünger: Josef Neus wagte mit 26 Jahren, im Jahr 1868, die beschwerliche Reise. Als Heinrich Heckelmann 1884 seine Heimat verließ, war er erst 22. Ein Jahr älter war Anton Schüssler, als er am 18. Mai 1881 die Schiffsreise nach Amerika antrat. Mathias Jarding (25) und Gerlach Pfeifer (27) verließen Deutschland gemeinsam am 16. März 1882, eine Woche vor ihnen hatte der 28-Jährige Peter Josef Römer ein Schiff bestiegen. Johann Josef Lorse entschloss sich im Winter 1887, seiner Heimat den Rücken zu kehren.

Trotz der wirtschaftlichen Not, die damals herrschte, war die Moral gut, wie Pfarrer Christian Thies 1862 an den Trierer Bischof schrieb. Allerdings, so gab er zu bedenken, wäre es besser, wenn die Pfarrei weiter von Daun entfernt wäre. Nicht nur die Versuchungen der großen Stadt Daun bereiteten dem frommen Mann Sorgen. Sein besonderes Augenmerk legte der Hirte auf die Tanzvergnügungen. Lobend notierte er, dass in Neunkirchen nie getanzt werde, in Steinborn werde zweimal im Jahr zum Tanz aufgespielt. Das lebenslustigste Völkchen waren ohne Zweifel die Waldkönigener. Pfarrer Thies betonte im Brief an seinen Vorgesetzten, hier fänden „öfters“ im Jahr Tanzveranstaltungen statt.

Archäologen graben in Waldkönigen

Um die eingangs gestellte Frage zu beantworten, wie alt Waldkönigen ist und wie sich der Ort im Lauf der Geschichte entwickelte, können wir nicht nur die schriftliche Überlieferung und Karten heranziehen, sondern auch auf andere Zeugnisse zurückgreifen. In den Jahren 1934/35 fanden Archäologen in der „Rengenernetzt“ mehrere Gräber. Im Oktober 1951 wurde einer der Hügel von den Wissenschaftlern geöffnet. Er hatte einen Durchmesser von 15 Metern, die Erhöhung betrug an der Nordseite 60 Zentimeter, an der Südseite waren es 70 Zentimeter. Die Forscher legten einen zwei Meter breiten Schnitt in Nord-Süd-Richtung durch den Hügel an. In einer Tiefe von 1,20 Metern kamen die Reste einer Bestattung zum Vorschein. Im nördlichen Teil des Schnitts und in der Mitte des Hügels fanden sich Spuren von Holzkohle. In der Hügelmitte trafen die Trierer Archäologen auf einen zwei Meter langen, 25 Zentimeter breiten und zwischen 1,2 und 2 Zentimeter dicken Streifen verkohlten Holzes. Darin entdeckten sie ein Tongefäß, daneben mehrere verbrannte Knochen. Im Grabungsbericht sind die einzelnen Fundstücke aufgelistet. Es fanden sich in dem Grab „ein beschädigtes Gefäß mit etwas ausladender Randpartie, konischem Hals und abgesetzter Schulter. Ton grau bis bräunlich, Reste von Glättung außen. Die Zier besteht aus einem 1,3 cm breiten Fischgrätenband auf der Schulter, Gefäßhöhe 17,5 cm.“ Die Forscher kamen zu dem Ergebnis: „Nach dem Gesamtbefund, insbesondere nach dem Vorliegen von Leichenbrand im Gefäß a, haben wir es mit einer Brandbestattung der jüngeren Hunsrück-Eifel-Kultur unter einem Hügel zu tun, der wohl zu den Brandflächenhügeln zu stellen ist.“ Die Übersetzung der Fachsprache der Archäologen offenbart uns, dass das Grab aus der Zeit um 475 bis 225 vor Christi Geburt stammt und somit weit älter als 2000 Jahre ist. Da die Kelten ihre Begräbnisstätten regelmäßig in einiger Entfernung von der Siedlung anlegten, dürfen wir die Gräber, die unweit der B 421 liegen, als den ersten Friedhof Waldkönigens bezeichnen.

Im Jahr 1847 hatten schon einmal Archäologen in Waldkönigen die Erde umgegraben. Unweit der „Römischen Suer“ fanden sie am Pützbach Gräber aus römischer Zeit, in denen sich neben verschiedenen Waffen auch Schmucksachen fanden. In welchem Jahr und durch wessen Hand die römischen Soldaten ihr Leben lassen mussten, ist nicht sicher nachweisbar. Einiges spricht dafür, dass sie entweder zu den Truppen gehörten, die in den Jahren 21 oder 69/70 nach Christus Aufstände des keltischen Stammes der Treverer (davon stammt der Name Trier ab) gegen ihre römischen Herrscher niederschlugen. Einige Fundstücke aus dieser Zeit könnten noch zwischen Wacht und Asseberg in der Erde schlummern; denn Waldkönigen lag in der Nähe einer bedeutenden Römerstraße, die über Jünkerath und Dreis nach Andernach führte. Andere Funde in unserer unmittelbaren Nachbarschaft lassen noch eine andere Deutung zu.

Mitte des 19. Jahrhunderts sorgte ein Schatzfund für Aufsehen. Unsere Nachbarn aus Hinterweiler fanden am Ernstberg einen Tonkrug mit Münzen aus der Zeit der römischen Kaiser. Weil die Römer auf ihren Münzen den jeweiligen Herrscher abbildeten, können die Geldstücke genau datiert werden. Die ältesten Stücke, die der Schatz vom Ernstberg enthält, stammen aus der Zeit des Kaisers Hadrian, der von 117 bis 138 nach Christus das Römische Reich regierte. Die jüngsten Silberlinge wurden in der Regierungszeit des Kaisers Decius geprägt, der von 249 bis 251 die Geschicke Roms bestimmte. Der Münzschatz könnte somit in den Jahren 259/260 vergraben worden sein, als auch die Gebiete westlich des Rheins von Germaneneinfällen erschüttert wurden. In diesen Jahren wurden an vielen Orten befestigte Höhensiedlungen zum Schutz der ländlichen Bevölkerung angelegt. Weitere Münzfunde am Ernstberg konnten in das 3. und 4. Jahrhundert datiert werden und es wurde auch der Kopf einer Statue gefunden, die vermutlich eine römische Göttin darstellte. Ein Forscher kam zu dem Ergebnis: „Einiges spricht dafür, den Ernstberg zu den römischen Heiligtümern zu nehmen.“

Der Ursprung des Ortsnamens

Um das Alter einer Gemeinde zu bestimmen, bietet häufig die Herkunft des Ortsnamens Hinweise. Der Ursprung fast jeder Ortsbezeichnung im Kreis Daun lässt sich mühelos deuten. Die auf „-born“ endenden Namen weisen auf eine Quelle hin. „Dreis“ bezeichnet eine Stelle, an der eine Mineralquelle sprudelt. Namen, die auf „-weiler“ enden, stammen vom lateinischen Wort „villa“ ab, was übersetzt Landgut oder Gehöft bedeutet. Dockweiler leitet sich von dem im Mittelalter häufigen fränkischen Vornamen „Dacco“ ab. Ebenso einfach ist die Deutung von Hinterweiler oder Kirchweiler, dem Weiler bei der Kirche. Neunkirchen erhielt seinen Namen nicht etwa deshalb, weil es dort einmal neun Kirchen gab, sondern aufgrund einer neuen Kirche, die dort erbaut wurde. Der Ortsname Nerdlen entstand aus einer Verkürzung der Bezeichnung „zu den Erlen“. Aus „zu den Eichen“ wurde später Neichen.

Und Waldkönigen? Sicher ist, dass der Ursprung des Ortsnamens nichts damit zu tun hat, dass in unserem Wald einmal ein König lebte. Daran ändern auch die Geschichten über ein angebliches Jagdschlösschen im „Pintegarten“ nichts. Der erste Augenschein offenbart, dass dort gefundene Mauerreste nicht so alt sind, wie mancher denkt. Sicher ist auch, dass unserem Dorf sein Name nicht behördlich zugewiesen wurde, wie einmal ein Autor vermutete. Um den Sinn des Ortsnamens zu deuten, müssen wir noch einmal die Urkunde aus dem Jahr 1368 heranziehen. Denn auch die Schreibweise von Ortsnamen hat sich im Lauf der Jahrhunderte mehrfach gewandelt. 1368 wird unser Dorf als „Waltkuning“ bezeichnet. Die auf „ing“ bzw. „ingen“ endenden Siedlungsnamen entstanden in der frühesten Zeit der Wanderung germanischer Völkerschaften. Demnach ist der Name älter als 1500 Jahre. Die Endung auf „ing“ oder „ingen“ bezeichnet die Siedlung einer Verwandschaftsgruppe, deren ältester Vertreter dem Ort seinen Namen gegeben hat. Für die Herleitung Waldkönigens (= Waltkuning) bieten sich daher folgende Deutungen an. Die Bezeichnung könnte aus einer Zusammensetzung der althochdeutschen Wörter „Waltan“, das walten oder herrschen bedeutet, und „kunni“, was für Geschlecht oder Sippe steht, entstanden sein. Zusammengefasst ergäbe sich also der Sinn Waltkuning = „der herrschenden Sippe gehörend“. Dies könnte ein Hinweis auf karolingische Wurzeln unseres Ortes sein, die somit im frühen Mittelalter lägen. Denkbar ist aber auch, dass sich der Name von Waltrun ableitet, ein weiblicher Vorname, der sich ebenso aus waltan und „runa“ zusammensetzt, was mit „Geheimnis“ zu übersetzen ist.

Vielleicht wird die Herkunft des Namens immer ein Geheimnis bleiben. Vieles deutet jedoch darauf hin, dass Waldkönigen schon einige Jahrhunderte vor seiner ersten urkundlichen Erwähnung besiedelt war. Sicherlich würden unsere Nachbargemeinden große Augen machen, wenn wir „2000 Jahre Waldkönigen“ feiern würden, aber das verbietet uns die Bescheidenheit.

 

Verfasser Dr. Reinhard Scholzen.